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Die Opfer-Rolle

In der Vergangenheit haben wir bereits das Dramadreieck erklärt und die unterschiedlichen Rollen darin thematisiert.

Nun gehen wir spezifischer auf die Opfer-Rolle ein und was der Unterschied zwischen Opfer und Opfer-Rolle ist.

Unterschied zwischen Opfer und Opfer-Rolle

Ein Opfer ist eine Person, welche sich in einer Position befindet, wo äusserliche Faktoren Macht über sie haben. Die Machtlosigkeit ist hierbei ausschlaggebend.

Fährt zum Beispiel jemand in das Auto des Opfers, kann das Opfer nichts tun. Es ist dem, zumindest zum Zeitpunkt des Unfalls, machtlos ausgeliefert. 

Die Opfer-Rolle hingegen ist eine Entscheidung – bewusst oder unbewusst – seine Macht aufzugeben, um etwas zu erzwingen, etwa Aufmerksamkeit von aussen. Man entscheidet sich dafür, keine Macht haben zu wollen, meist aus reiner Faulheit oder in der Hoffnung Verantwortung zu vermeiden. Oder um wichtig zu erscheinen und Aufmerksamkeit zu bekommen.

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So funktioniert die Opfer-Rolle

Wie du aus unserem Beitrag zum Dramadreieck weisst, kann man nicht allein die Rolle des Opfers spielen. Es braucht mindestens eine weitere Person (oder das Schicksal), den Gegenpart sozusagen, dem man sich unterwirft. Der Gegenpart wird entweder die Rolle des Retters oder des Verfolgers übernehmen.

Da Verfolger und Opfer meist nicht sehr lange miteinander kommunizieren können, endet das vorwiegend früh. Die Opfer-Retter-Verteilung kann hingegen Jahre dauern. Insofern das Opfer nicht gerettet werden will, der Retter aber unbedingt retten möchte.

Die Person, die entschieden hat (auch hier wieder bewusst oder mehrheitlich unbewusst), in die Opfer-Rolle zu treten, macht das nicht, weil sie effektiv denkt, weniger wert zu sein. Sie tut das, weil sie so die andere Person auf ein Podest hebt, diesem Mensch Macht gibt und hofft, dass sie das zu ihrem eigenen Zweck nutzen kann. Es ist eine Art Manipulation. Die Person in der Opfer-Rolle tut dies, um Macht von der anderen Person zu bekommen, aber so, dass wenn etwas schiefläuft, sie keine Verantwortung oder Schuld tragen muss. 

Warum überhaupt die Opfer-Rolle?

Begibt sich jemand in die Opfer-Rolle, befindet sich die Person wieder im Überlebensmodus und folgt seiner Konditionierung. Es ist eine Rückkehr in die eigene Kindheit. 


Es gibt verschiedene Gründe für dieses Verhalten. Wir zeigen euch zwei davon auf:

#1 Aufmerksamkeit

Man tut dies, um Aufmerksamkeit zu bekommen und um sich wertvoll zu fühlen. Wenn es mir gut geht, wenn ich kein Opfer bin, dann habe ich „nichts zu erzählen“, dann bin ich nicht interessant, dann bin ich nichts wert … das zumindest denkt man in diesem Moment. Wenn es einem nicht gut geht, wird meine Umgebung Rücksicht auf mich nehmen. 

Als Beispiel: Als Kind habe ich festgestellt, dass ich mehr Aufmerksamkeit von Mama bekomme, wenn ich krank bin. Ich darf sogar zu Hause bleiben. Das wird im übertragenen Sinne auch im Erwachsenenalter noch so gemacht. Wenn es mir schlecht geht („ich bin krank“), kümmert sich jemand um mich („ich darf zu Hause bleiben“).

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#2 Komfort und Gewohnheit

Es ist etwas, was wir als Kind gelernt haben und das unser Gehirn als effektive Strategie hinterlegt hat. Es fühlt sich bekannt und sicher an. Es ist uns aber nicht bewusst, dass wir nicht mehr in dieser Überlebens-Situation sind, wie damals, als wir ein Kind waren. Aber oftmals erscheint uns das Bekannte besser als das Unbekannte. Auch wenn das Bekannte mit viel Leid und Unzufriedenheit verbunden ist.

Wir müssen also neue Strategien erlernen. Das braucht viel Arbeit, Energie und Nerven und nicht jeder ist dazu bereit, dies zu investieren. Zudem wissen wir meistens nicht, wo wir ansetzen sollen und uns selbst helfen können. Man kommt also darauf zurück, was man kennt.

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Was sind die Konsequenzen, wenn jemand sich in die Opfer-Rolle begibt?

Machtverlust

Indem die Opfer-Rolle-Person (ORP) ihre Macht abgibt, macht sie sich abhängig von anderen Personen oder Situationen. Objektiv gesehen ist es aber ungünstiger zum Überleben.

Lass uns ein Beispiel von häuslicher Gewalt nehmen. Es ist bekannt, dass Leute, die in einer gewaltvollen Umgebung aufgewachsen sind, einfacher in Beziehungen geraten, in denen Gewalt präsent ist. Nicht, weil sie es mögen, sondern weil es ihnen bekannt ist.

Unser Gehirn präferiert immer bekannt vor unbekannt, auch wenn das meist nicht optimal ist. 

Darum geraten diese Menschen in Situationen, in denen Gewalt wieder präsent ist. Objektiv gesehen ist aber die Chance in Gefahr zu sein viel grösser, als wenn sie in einer gewaltfreien Umgebung wären.

Enttäuschung

Die ORP hat spezifische Erwartungen, wenn sie in ihre Rolle schlüpfen, auch wenn es vielen nicht bewusst ist. Die Chance enttäuscht zu werden ist allerdings sehr hoch, da sie ihr Wohlbefinden von äusseren Faktoren abhängig macht. Man kann andere Leute nicht kontrollieren. Sein Leben davon abhängig zu machen, was wir nicht kontrollieren können, ist sehr fahrlässig.

Sich selbst im Stich lassen

Das ist vorwiegend eine Konsequenz, die uns nicht bewusst ist, aber tiefe und schädliche Wunden hinterlassen kann. Indem wir anderen Macht geben, lassen wir uns selbst und somit unser inneres Kind im Stich. Das innere Kind ist verantwortlich für unser Selbstwertgefühl und unsere Selbstachtung. Selbstwert können wir aber nicht bilden, wenn wir uns selbst nicht achten und unser inneres Kind immer wieder im Stich lassen. Man muss dafür einstehen und Verantwortung übernehmen. Wie kann ich jemanden anderes lieben und schätzen, wenn ich das nicht mal für mich selbst tu?

Mehr zum inneren Kind erfährst du hier:

Selbst-Sabotage

Das ist auch eine Art Opfer-Rolle. Man tut dies, um sich in der komfortablen Zone zu bewegen und die Illusion von Kontrolle aufrechtzuerhalten. Das hindert uns daran, uns weiterzuentwickeln und zu ändern für das illusorische Gefühl von Sicherheit, welches nur subjektiv ist. 

überlebersfilter

Was ist die bewaffnete Opfer-Rolle?

Die ist eine Form von Narzissmus, die man versteckter Narzissmus nennt. Sie wird spezifisch eingesetzt, um Verantwortung zu vermeiden. „Ich habe nichts gemacht“, „Ich bin halt so“, „Ich habe alles für dich geopfert“, „Ich habe es nicht so gemeint“. Und für die Konsequenzen soll keine Verantwortung getragen werden müssen.

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So wird die Opfer-Rolle in der Verführung (Seduction) eingesetzt

Die Opfer-Rolle löst bei einigen Menschen, insbesondere Männern, den Beschützerinstinkt aus. Es ist eine indirekte Art und Weise, das Ego (von Männern) zu streicheln, wenn man sich als hilfloses, vulnerables Opfer darstellt, so hat das Gegenüber die Möglichkeit, der grosse, starke Retter zu sein.

Die Opfer-Rolle ist eine sehr bequeme Rolle, die auch äusserst akzeptiert ist in unserer ungesunden Gesellschaft. Die ORP hat das Gefühl, dass sie die anderen kontrollieren kann, mit dieser Art von Verhalten, aber das stimmt nicht und zudem zerstört sie sich selbst damit. Begibst du dich regelmässig (ob unbewusst oder bewusst) in diese Rolle, dann mach dir klar, dass du die einzige Person auf dieser Welt bist, die sich aus dieser Rolle herausnehmen kann. Ja, du wirst weniger Aufmerksamkeit erhalten. Aber du wirst dafür dich selbst sein können.


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